In unserer Angioödemsprechstunde haben wir uns auf die Behandlung von Patienten mit Bradykinin-induzierten Angioödemen sowie unklaren Schwellungen der Kopf-Halsregion spezialisiert.
Ziel unserer Spezialsprechstunde ist die Diagnostik und Behandlung von Bradykinin-induzierten Angioödemen. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Behandlung von Patienten mit einem hereditären Angioödem (HAE).
Der Begriff „Angioödem“ ist unspezifisch und beschreibt lediglich Schwellungen der Haut oder der Schleimhäute. Diese Schwellungen entstehen durch Flüssigkeitsaustritt ins umliegende Gewebe aufgrund von Gefäßerweiterung und erhöhter Gefäßdurchlässigkeit. Man unterscheidet hierbei Histamin-vermittelte von Bradykinin-vermittelten Angioödemen. Histamin-induzierte Angioödeme kommen weitaus häufiger vor, gehen meist mit Rötung und Juckreiz einher und bilden sich nach Behandlung mit Antihistaminika und Glukokortikosteroiden schnell (innerhalb von Stunden) zurück.
Bradykinin-induzierte Angioödeme
Unterschieden werden Histamin- von Bradykinin-induzierten Angioödemen. Beim Bradykinin-vermittelten Angioödem treten Schwellungen ohne Juckreiz oder Rötung auf. Attacken, die die oberen Atemwege betreffen, können zu Atemnot und im schlimmsten Fall zur Erstickung führen. Bei Schwellungen im Bereich des Gastrointestinaltrakts treten kolikartige Bauchschmerzen auf.
Diese Angioödeme bessern sich nicht durch die Behandlung mit Antihistaminika oder Glukokortikosteroiden.
Zu den Bradykin-ininduzierten Angioödemen gehören:
- Hereditäres Angioödem (HAE, hereditary angioedema)
- Erworbenes Angioödem (AAE, acquired angioedema)
- ACE-Hemmer/Sartan-induziertes Angioödem
- Idiopathisches Bradykinin-induziertes Angioödem
Was ist das hereditäre Angioödem (HAE)?
Der Begriff des HAE beschreibt eine seltene Gruppe von Erkrankungen (Indzidenz 1: 50000) mit ähnlicher Pathophysiologie, klinischem Erscheinungsbild und Behandlung. Das HAE wird entweder über Generationen weitervererbt oder kann im Rahmen einer Spontanmutation neu auftreten.
Klinisches Erscheinungsbild
Anhand des klinischen Bildes kann nicht zwischen den verschiedenen HAE-Typen unterschieden werden.
Beim HAE kommt es zu rezidivierenden Schwellungen der Haut, Schleimhäute inklusive des Gastrointestinaltraktes und der oberen Atemwege. Die Attacken können extrem schmerzhaft und bei Auftreten im Bereich der oberen Atemwege auch tödlich verlaufen. Die Hautschwellungen jucken nicht und bilden keine Quaddeln aus.
Pathophysiologie
Der C1-Esterase-Inhibitor ist das einzige Enzym im menschlichen Körper, das die Produktion von Bradykinin inhibieren kann. Bradykinin erhöht die Gefäßpermeabilität, was zum Durchtritt von Flüssigkeit in das Gewebe und somit zu Schwellungen führt. Eine reduzierte Menge oder ein dysfunktionaler C1-Esterase-Inhibitor führen zu erhöhten Bradykininkonzentrationen und somit zu Angioödemen.
Die häufigste Form des HAE ist der sogenannte Typ I (reduzierte C1-Esterase-Inhibitor Produktion) gefolgt von Typ II (Produktion eines funktionell defekten C1-Esteraseinhibitors). Seltener kommt das HAE mit normalem C1-Esteraseinhibitor vor (HAE nC1-INH, ehemals Typ III).
Als Auslöser für HAE-Attacken gelten u.a. Stress, Infektionen, Hormonumstellungen, mechanische Beanspruchungen, Traumata, Operationen und Medikamente wie z. B. ACE-Hemmer, Sartane und Östrogene.
Diagnose
Zur Diagnosestellung erfolgt eine ausführliche Anamnese, die laborchemische Untersuchung des Komplementsystems, sowie gegebenenfalls eine weiterführende genetische Analyse.
Therapieoptionen für HAE
Akute Attacken eines HAE können und sollen entweder durch Gabe von humanem oder rekombinantem C1-Esterase-Inhibitor als Infusion oder durch Blockade des Bradykinin-Rezeptors als Spritze unter die Haut behandelt werden (Bedarfstherapie).
Es besteht zusätzlich die Möglichkeit einer regelmäßigen vorbeugenden Therapie (Langzeitprophylaxe), wir beraten dazu je nach individueller Krankheitsaktivität, Leidensdruck, Therapiekontrolle und Patientenwunsch. Hierfür sind derzeit mehrere Medikamente in Deutschland zugelassen: intravenöse (Infusion) oder subkutane (Spritze unter die Haut) Applikationen von humanem C1-Esterase-Inhibitor, die subkutane Applikation eines monoklonalen Kallikrein-Antikörpers und die orale Applikation (Kapsel) eines Kallikrein-Inhibitors stehen zur Verfügung. In unserer Spezialsprechstunde beraten wir Sie dazu gerne individuell und leitliniengerecht. Außerdem besteht die Möglichkeit der Behandlung mit neu entwickelten (noch nicht zugelassenen) Medikamenten im Rahmen von klinischen Studien unter engmaschiger Überwachung durch unser Studienteam.
Erworbene Angioödeme (AAE)
Diese Art von Angioödemen tritt häufig nach dem 40. Lebensjahr und in Zusammenhang mit hämato-onkologischen Erkrankungen oder bestimmten Autoimmunerkrankungen auf. Es kommt aufgrund von Autoantikörpern oder durch Immunkomplexbildung zu einem erhöhten Verbrauch an C1-Esterase-Inhibitor und somit zu einem Mangel an C1-Esterase-Inhibitor, der wiederum zu Schwellungen führt. Die Beschwerden unterscheiden sich kaum vom hereditären Angioödem (HAE), sodass genauere Untersuchungen erforderlich sind.
ACE-Hemmer- / Sartan-induzierte Angioödeme
ACE-Hemmer oder Sartane sind häufig verordnete Medikamente bei Bluthochdruck. Diese führen zu einem verminderten Abbau von Bradykinin und können konsekutiv zu Schwellungen führen. Jährlich erleiden ca. 30.000 Patienten in Deutschland ein ACE-Hemmer/Sartan-induziertes Angioödem. Im Schnitt haben Patienten die entsprechenden Medikamente bereits drei Jahre eingenommen. Zusätzlich treten die Attacken häufig im Kopf-Halsbereich auf. Die Blutwerte für C1-Esteraseinhibitor sind hier unauffällig.
Ziel unserer Sprezialsprechstunde ist die Diagnostik und Behandlung folgender Erkrankungen
- Hereditäre Angioödeme (HAE)
- Erworbene Angioödeme (AAE)
- ACE-Hemmer oder Sartan-assoziierte Angioödeme
- Idiopathische Bradykinin-induzierte Angioödeme
Informationen für Patienten
Bitte bringen Sie folgende Unterlagen bei Erstvorstellung mit:
- Relevante Arztbriefe und Laboruntersuchungen ggf. inklusive genetischer Untersuchungen
- Aktuelle Medikamentenliste (z. B. Bundesmedikationsplan)
- Fotodokumentation von Schwellungen
- Schwellungs-Tagebuch/-Kalender (falls vorhanden)
- Informationen zu evtl. weiteren betroffenen Familienmitgliedern